Eindrücke 2009

Ein Bericht von Roland Ansorge (geboren in Thammühl/Stare Splavy)

Ich schilderte hier im letzten Jahr meine Eindrücke von einem Besuch in meinem Geburtsort Thammühl.  Dabei machte ich die Bemerkung, dass das Stare Splavy von heute nicht mehr meine Heimat sei. Was nicht zu Unrecht unseren Heimatfreund Karl-Albrecht veranlasste, mich zu erinnern, dass Heimat da sei, wo die Wurzeln sind.

Um meiner Lebensgefährtin meinen Geburtsort zu zeigen – vor allem die schöne Landschaft unserer alten Heimat – aber auch, um noch einmal  einige Badetage da zu verbringen,  war ich im August d.J. noch mal dort. Die Sommertage waren Badetage, der Strand wird seitens des Großhotels gepflegt, das Wasser wieder sauber, was somit Gäste en masse anlockte.  Auch internationale. Auf dem Wasser tummeln sich Segelboote, Windsurfer, Paddler und inzwischen fünf Passagierboote!! 

Und die sonstigen Eindrücke??

Na ja, im Vergleich zum Vorjahr  keine nennenswerte Veränderung. Der eine oder andere „Bürger“ hat sich wieder verkrümelt, weil wahrscheinlich der große Reibach ausblieb. Geblieben sind die Vietnamesenmärkte und die vergammelnden Häuser.
Sommerfrischler, die hier wochenlang ihre Ferienzeit im Hotel verbringen, sind in der Minderzahl. Man ist bescheiden, das gilt für Familien mit Kindern aus West und Ost genauso wie für die Tschechen. Die Kronen rollen nicht so üppig wie die Rubel beim „großen Bruder“ (Den sie nie liebten. Auch heute noch nicht. Umgekehrt aber auch nicht, wie mir ein Moskowiter auf Englisch, weil mein Russisch zu dürftig ist, erzählte.). 

Obwohl  fast jedes bewohnbare  Haus Zimmer anbietet und um zahlende Gäste buhlt, fehlt mir nach wie vor die dazu gehörige Portion an wirklicher, herzlicher Gastlichkeit. Wie sie beispielsweise von ein paar Blumen im Garten ausgeht. Ob das allein am fehlenden Geld liegt? Ich glaube eher, es fehlt den heutigen Bürgern die Identifikation mit dem Ort als Gemeinschaft auf Lebenszeit. Man kommt im Frühsommer, putzt die Fenster, kassiert im Sommer – und sperrt  Ende August wieder zu. Auch wir mussten – wie manche der heutigen Eigentümer – davon ein ganzes Jahr leben. In Thammühl. Aber,  man hatte auch im Winter Nachbarn.  Es war eben eine Gemeinschaft. Alle hatten das gleiche Los.

Aber – im Unterschied zu heute – das Gesamtbild des Ortes war freundlicher, denn es gab keine seit Jahrzehnten leerstehenden, vergammelnden Häuser und Gärten. Uns  Deutschen begegnet man nicht unfreundlich. Man will ja den €. Aber nicht als Währung auf Dauer. Das Bedienungspersonal – es versteht auch Deutsch –  in den Lokalen rechnet lieber selber um. Wie auch die Polizei, die gern mal ein Auto mit deutschem Kennzeichen mit einer Klaue versieht, wenn es – wie einheimische auch – mal falsch parkt. 2500 Kronen kostet das. Es geht auch mit weniger Kronen, wenn man auf eine amtliche Quittung verzichtet. Sorry, das Gehalt ist eben nicht so üppig.

Mal ehrlich, wer von uns möchte wieder heim, in die  alte Heimat?  Und sei sie noch so schön. Nur damit auf einem tschechischen Friedhof ein Grabstein mit deutschen Worten steht? Darauf kann ich – und viele andere auch – gern verzichten. Ich für meinen Teil habe unseren von den Tschechen requirierten Besitz  abgeschrieben. Da wir die letzte noch lebende Generation der Vertriebenen sind, erledigt sich das „Benesch-Dekret“ auf biologische Weise von allein.  Deshalb sollte der tschechische Staat im Sinne einer europäischen Verständigung sich von diesem unseligen Erlass trennen. Wir wollen keine Entschädigung für unseren Besitz, nur die Distanzierung Tschechiens von  diesem Gesetz, dass der eine oder andere Tscheche mit der Zeit geht, glaube ich daran zu erkennen, dass es einen Prager gibt, der ein Buch mit den Ansichtskarten aus den Jahren 1900 – 1945 von Häusern in  Hirschberg und Thammühl herausgibt. Eine kleinere Sammlung dieser Karten fand ich in Hirschberg in der „Information“. Allerdings nur mit tschechischem Text.

Was  ich mir aber immer bewahren werde, ist die Erinnerung an den unvergleichlichen Blick vom Thammühler Strand über den Großteich zum Bösig.

Roland Ansorge

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2 Gedanken zu „Eindrücke 2009

  1. Alex

    Wieder einmal vielen Dank Roland für Deine Eindrücke! Das relativiert so manche Beiträge vermeintlich professioneller Medienanstalten 😉

    „Obwohl fast jedes bewohnbare Haus Zimmer anbietet und um zahlende Gäste buhlt, fehlt mir nach wie vor die dazu gehörige Portion an wirklicher, herzlicher Gastlichkeit. Wie sie beispielsweise von ein paar Blumen im Garten ausgeht. Ob das allein am fehlenden Geld liegt? Ich glaube eher, es fehlt den heutigen Bürgern die Identifikation mit dem Ort als Gemeinschaft auf Lebenszeit. Man kommt im Frühsommer, putzt die Fenster, kassiert im Sommer – und sperrt Ende August wieder zu.“

    Das ist wohl gut auf den Nenner gebracht und ich sehe das ähnlich. Der Punkt ist auch, dass dies nur eine begrenzete zeitliche Periode gut oder mehr schlecht als Recht funktioniert. Das wird man vermutlich irgendwann erkennen müssen. Ich schreib dass eher ungern, da ich nicht als deutsch sprechender Oberlehrer daher kommen will. Aber es stellt sich schon so dar wie Du schreibst (wenn man auch mit Verallgemeinerungen immer vorsichtig sein muß) Ein wenig mehr ehrliche Gastfreundschaft, hier und da eine einladende Geste mehr und vieles könnte einfacher u. besser funktionieren. Das oftmals das Geld für Investitionen oder Reinvestitonen fehlt ist halt ein Punkt den man kennt und auch nicht außer Acht läßt. Oftmals hängt das eine aber vom anderen ab und umgekehrt.

    „Da wir die letzte noch lebende Generation der Vertriebenen sind, erledigt sich das „Benesch-Dekret“ auf biologische Weise von allein. Deshalb sollte der tschechische Staat im Sinne einer europäischen Verständigung sich von diesem unseligen Erlass trennen. Wir wollen keine Entschädigung für unseren Besitz, nur die Distanzierung Tschechiens von diesem Gesetz…“

    Ohne pietätlos wirken zu wollen, ja es wird sich „biologisch“ erledigen. Nicht aber formell. Welche Rolle es aber im täglichen Umgang oder Erleben in unserer jüngeren Generation ff. noch spielen wird, da denke ich auch, dass wohl die Wenigsten noch davon beeinflußt werden. Es wäre wirklich wünschenswert, dass der Fakt, dass auf beiden Seiten Unrecht geschah anerkannt werden würde, auch wenn wir alle den Ausgangspunkt bzw. die Ursache der Dekrete kennen.

    Danke für Deinen Bericht!

  2. Ansorge Roland

    An Alex,
    danke für Deine ehrliche Meinung zu dem Thema , Identifikation der neuen Bürger in unseren alten
    Häusern.“
    Bemühungen zum Gespräch und zum gegenseitigen Anerkennen gibt es schon reichlich, aber eben nur auf Ebenen, die wenig oder gar keinen Einfluß auf die Politiker haben.
    Wir haben hier in Bad Kissingen die „Akademie Mitteleuropa“ -früher Begegnungsstätte der Sudetendeutschen. Heute wird die Akademie auch von Osteuropäern -in erster Linie Tschechen und Polen- besucht, die in gemeinsamen Veranstaltugen versuchen, die Vergangenheit aufzuaurbeiten.
    Auch gibt es in der CZ junge Menschen, die sich der Vorgänge von 1945 fast schämen und versuchen,
    unter jungen Menschen darunter einen Schlußstrich zu ziehen und sich deshalb von den Vorkommnissen
    distanzieren. ja auch um Vergebung bitten. Das sind doch Ansätze auf denen eine Verständigung möglich gemacht werden kann.
    Auch mein Jugendfreund Karll Albrecht von Waldstien – Pater Angelus – arbeitet an einer Verständigung –
    teilweise erfolgreich, wie die Jugendlichen des Gymnasiums von Ceska Lipa mit ihrer Arbeit am Kriegerdenkmal in Hirschberg (Doksy) beweist.
    Unsere Generation wird es nicht mehr erleben, aber vielleicht spätere. Es hat mit Frankreich ja auch
    geklappt, dass man sich die Hände reichte. Warum nicht auch eines Tages mit den Tschechen.
    Aber mit welchen? Grüße Roland

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